Lebensgefühl Rockmusik HH aus EE
WODKA’s (letzter?) BLUES mit Kerth 07.05.2023 (Gastbeitrag des Herrn Müller, den sie „Wodka“ nannten, der unbedingt noch einmal den Jürgen live erleben wollte.) Vorgeschichte: Es kommt nicht darauf an, so viel wie möglich zu erleben, sondern mit welchen Freunden man etwas erlebt, um sich später gemeinsam erinnern zu können. Frank Löwe wäre so einer gewesen. Geboren, wie ich, im September 1949 und sogar am gleichen Tag. Er wurde leider nur 48 Jahre alt. Ein anderer besonderer Mensch war Kundi. Er wurde nur zehn Jahre älter als Frank. Beide fehlen mir zum Erinnern und Quasseln. Mit Georg gehe ich durch mein Leben. Wir teilen Höheflüge ebenso, wie Katastrophen und wir quasseln. Als ich ihn, den alle „Wodka“ nannten, traf, ahnte ich nicht, einen Bruder im Geiste, einen „Struwelpeter & Zappelphilipp“ mit zartem Humor, in mein Leben zu lassen. Wir telefonieren ab und an, wir quasseln und freuen uns, lebendig zu sein. Auch wenn’s schmerzt. Bei so einem Gespräch meinte er, er müsse noch einmal zum Jürgen, denn er hätte jetzt einen Rollstuhl und damit würde die Reise von Aschaffenburg nach Erfurt gelingen. Er solle mir ein Foto schicken, meinte ich noch, dann legten wir auf. Hans schrieb: Nun ist das Wochenende vorbei. Das war ein Mammutprogramm für mich. Nach dem Essen bei einem Vietnamesen in der Nähe der „Heiligen Mühle“ - es war viel zu viel - sind wir in die Mühle. Da war ein Tisch, an dem wir uns niederließen. Schon kam ein langhaariger Halodri, der Tisch sei besetzt. Später bekam ich dann mit, es war der Juniorchef. Ich hatte ihn nicht erkannt. Gut, wir haben einen anderen Tisch gewählt, nächster Anschiss, durch den Rollstuhl blockierte die Bank ein wenig den Kellnerweg. Auch das konnten wir beheben. Hinten in der Ecke erschien an Krücken ein alter Mann. Ich war mir fast sicher, das ist der Alte der „Heiligen Mühle“, Karli Naue, berühmt vom Karli Naue Sextett. Und so bin ich mit meinem Rollstuhl dahin und hatte ein wunderbares Gespräch über Kerth. Karli saß der Einstufungskommission von Jürgen vor. Über Jürgens Tonartenwechsel mitten im Lied, was auch Karli schwer fiel, als Organist und vom Jazz kommend und über das Leben allgemein. Karli hat sich ehrlich gefreut über unsere fünfzehn Minuten Gespräch. Ich bin dann zurück zum Tisch. In der Zwischenzeit saßen an dem reservierten Tisch zwei Leute. Der ein rief herüber, dich kenne ich, Whiskey! Ich berichtigte den Namen und überlegte, ob ich ihn kannte. Aber da kam nichts. Der andere schien der Schlagzeuger zu sein, denn er ging einige Male auf die Bühne an das Dings. Eine Riesenzigarre erschien an einer Ecke, dann eine Mütze. Jürgen kam und rief schon von weitem: „Ach, Aschaffenburg!“ Jürgen verschwand dann wieder unter den Leuten, es war ja ein Heimspiel. Das war wahrscheinlich der Hauptgrund, warum nicht alle Plätze besetzt waren: die Altersstruktur. Martin war mit seinen 30 wohl der absolut Jüngste. Und wer hört heute noch Blues, die wahrscheinlich ausdruckstärkste und schönste Musik! Ja und dann der „Heimvorteil“, manche der Interessierten hatten Jürgen sicher zu oft gehört - kein Interesse mehr. Na gut. Jürgen ging um 20.00 Uhr auf die Bühne, der Schlagzeuger folgte und auch der mir Unbekannte. Hat Jürgen einen neuen Bassisten? Als ich den Mann im Profil sah, ist das Stefan? Tatsächlich, ich habe ihn nicht erkannt. Er schien alt geworden, dazu Brille und Mütze. In der ersten Pause war ich dann bei Stefan und habe ihm gesagt, dass er so alt geworden ist, dass ich ihn nicht mehr erkannt habe. Im Gespräch habe ich dann festgestellt, dass er sich an mehr unserer Begegnungen erinnerte, als ich. Jürgen kam dazu und stellte fest, im Gegensatz zu Stefan hätte ich mich seit 20 Jahren nicht verändert. Ich erinnerte ihn daran, wir müssen noch ein Bild machen für den Herrn Helms. Das Bild kam erst im vierten Anlauf zustande. Erst war Jürgen weg, dann unter den Massen und in der zweiten Pause standen wir bereit. Jürgen hatte die Gitarre schon um, aber der Fotoapparat streikte. Endlich in der dritten Pause klappte es (aber das zweite, bessere Bild hat mir Martin nicht geschickt). Es war dann 23.15 Uhr. Mindestens die Hälfte der Leute war schon gegangen, fast der ganze Rest tanzte vor der Bühne herum. Da stellte Jürgen fest, dass es so kalt ist, die Finger würden steif. Er hatte es schon mehrmals erwähnt. Also sagte er Schluss, aber den Wunsch einer „jungen“ Dame erfüllte er noch und so war es fast 23.30 Uhr, als er Schluss machte. Ich bedankte mich artig bei Jürgen und Stefan. Jürgens letzte Worte waren: „Grüß den Hartmut von mir.“ Dann sind wir im Taxi ins Hotel zurück. Die Nacht war kurz. Frühstück, noch ein wenig warten und dann los. Wir hatten auf der Hinfahrt festgestellt, dass ich mit Martin, und dann Silvia mit ihm, im „Gastmahl des Meeres“ in Suhl war und so rief Silvia abends noch an und tatsächlich versprach die Dame am anderen Ende, sie würde schon einen Platz für uns finden. Ein Wunder, es gibt dort 124 Plätze, es wird in zwei Schichten eingelassen und trotzdem schickten sie noch viele Leute weg. Aber so endete das Abenteuer wie es begann: mit Essen. Epilog: Hans, den einige immer noch „Wodka“ nennen, geht es „den Umständen entsprechend“ gut. Sagt er zumindest, denn er ist von Natur aus Optimist. Auch wenn’s ihm beschissen geht. Während er sich bei Jürgen Kerth, in der „Heiligen Mühle“ von Erfurt, noch einmal Wohlfühlstunden abholte, hat mir eine hinterhältige Kolik in nur drei Tagen sieben Kilo Körpermasse abgeluchst. Die Wege des Herrn sind unergründlich und manchmal gnadenlos. Weder Kundi, noch Wodka und ich, sind jemals angetreten, um „für die Szene nützlich und hilfreich“ sein zu wollen. Wir wollten unsere Begeisterung für Musik ausleben, Live-Musik lauschen, Musiker treffen und jede Menge Spaß haben. Was andere wollen, müssen sie selbst tun. Wir wollten und wollen auch unsere ostdeutschen Geschichten mit der Musik unserer Jugend erzählen. Das kann man sehr gut, wenn man selbst Geschichten zu erzählen hat, zumal mit Wurzeln in der DDR, also von 1964/65 bis heute, von Theo Schumann bis Christian Haase. Ob das einer versteht oder nicht, ist dabei völlig irrelevant. Es ist so, erst recht nach dem Leser Deiner Zeilen. DANKE Hans (oder doch „Wodka“?). Schlußwort: Hans-Christian Müller, den wir stets „Wodka“ nannten, ist tot. Hans ging, beinahe typisch für den sturen Querkopf, am 12. September 2023, an seinem 70. Geburtstag (!), für immer von uns. Hab‘ eine gute Reise, alter Freund und liebevollere Chaot, Du wirst vielen hier fehlen.